Die laufende WTRL Saison ist fast vorbei. Das schöne Wetter regt zum draußen sein an. Zeit wieder mal für eine Tasse Kaffee und ein paar Gedanken* zu unserem Indoorsportvergnügen.

Letztes Jahr habe ich im Juli das erste Mal über die Auto-Cat-Funktion geschrieben. Inzwischen hat es viele Software Updates gegeben, aber so richtig vorwärts geht es da bei Zwift noch nicht. Mir ist klar, dass dies auch nur die User auf Zwift betrifft, die Spaß an Rennen haben und an Rennen gerne teilnehmen. Wie groß der Anteil ist, kann ich gar nicht sagen. Die vielen Teilnehmer alleine in der WTRL zeigen aber, dass da durchaus Interesse besteht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Rennen nur dann richtig Spaß machen, wenn sich alle an die Regeln halten. Wie immer im Sport ist Fairness und Sportgeist vielen Teilnehmern wichtig. Aber es gibt auch immer einen kleinen Anteil, wo das eigene Ego größer ist.

Die Rennen auf Zwift sind grundsätzlich in die Leistungsklassen A-D eingeteilt. Wobei in der Kategorie A die leistungsstärksten Fahrer starten und in D die Einsteiger. Jetzt ist es meistens so, dass man mit entsprechendem Training irgendwann auch besser wird und der Aufstieg in die höhere Kategorie ansteht. Was eigentlich ein Grund zur Freude sein sollte und der Beweis für ansteigende Leistungsfähigkeit ist, bedeutet für ein paar Fahrer auch ein echtes Egoproblem. Denn mit dem Aufstieg in die bessere Kategorie ist es meistens erstmal vorbei mit den Platzierungen im oberen Tabellenviertel. Nicht jeder Fahrer möchte sich dieser Situation stellen und versucht daher, erstmal in der aktuellen Kategorie zu verbleiben und weiter auf die Podiumsplätze zu schielen. Da die Grenzen der einzelnen Kategorien u.a. vom 20-Minuten-Wert abhängen, ist es relativ einfach, diesen Wert im Auge zu behalten und so einen Aufstieg zu vermeiden. Dann gibt es auch noch die Fahrer, die unabhängig von ihrer eigenen Kategorie sich einfach eine Kategorie darunter anmelden und sich dann freuen, wenn sie alles in Grund und Boden fahren. Wie gesagt, es hat viel mit dem eigenen Ego zu tun.

Allerdings hat es Zwift diesen Fahrern bisher auch sehr leicht gemacht. Das soll sich nun ändern, und dazu kommt das Auto-Cat-System ins Spiel, das sich inzwischen CE nennt.

CE steht für Categorie Enforcement und soll auf der einen Seite dafür sorgen, dass sich Fahrer nur noch in der richten Kategorie (oder höher) anmelden können und außerdem dafür Sorge tragen, dass die Fahrer in die richtigen Kategorien gesetzt werden. Die Berechnung für die Zuordnung in eine Kategorie ist jetzt deutlich komplexer geworden. Zwift nutzt dazu nicht mehr nur den 20-Minuten-Wert, sondern überprüft vereinfacht gesagt die gesamte Leistungskurve eines Sportlers, um ihn dann der passenden Kategorie zuzuordnen. Das sorgt bei einigen Usern für Verwirrung, insbesondere, wenn damit eine Aufstufung (Upgrade) in eine bessere Kategorie verbunden ist. Natürlich sind nicht alle Fahrer Sandbagger**, wenn ihnen das neue System jetzt einen Aufstieg beschert hat. Besonders starke Sprintwerte im Vergleich zum 20-Minuten-Wert reichen manchmal schon aus.

Das System zu verstehen ist nicht einfach, denn in Zwift gibt es inzwischen mehrere Kategorie-Systeme die alle auf unterschiedlichen Ideen basieren:

  1. Die klassischen Event-Kategorien, basierend auf den bekannten W/Kg-Werten, mithilfe derer Zwift Rides, also Gruppenfahrten einstuft.
  2. ZwiftPower (gehört inzwischen zu Zwift) kategorisiert die Leistungen von Usern (95% der besten 3 Renn-Werte der letzten 90 Tage) und zeigt diese im ZwiftPower Profil an.
  3. Das (alte) Auto-Cat System, das im letzten Jahr von der WTRL für einzelne Events umgesetzt wurde (bspw. Chase-Rennen).
  4. Category Enforcement, entwickelt von Zwift, basierend auf dem CP (Critical Power) und MAP (Maximum Aerobic Power) Wert der letzten 60 Tage aus allen Aktivitäten.

Dazu kommen noch „Mischformen“. So nutzt beispielsweise die WTRL das unter Punkt 2 genannte Verfahren, setzt dann aber für jedes Rennen einen individuellen Schwellenwert an, der den Fahrern auch nicht bekanntgegeben wird.

Es ist also nicht einfach bei dieser Thematik durchzusteigen. Auf der einen Seite möchte man das neue System verstehen und wissen, wie Zwift zu der Kategorisierung kommt. Auf der anderen Seite ist es vielleicht besser, wenn die genaue Berechnungsmethode nicht öffentlich wird. Denn egal wie groß der Aufwand ist, es wird immer einzelne Fahrer geben, die dann versuchen werden, auch das neue System für sich zu nutzen, um konkurrenzfähig zu bleiben bzw. zu werden.

Für mich persönlich ist es relativ einfach. Ich lehne das bewusste Langsamfahren kategorisch ab. Natürlich muss auch ich in einem Rennen mit meinen wenigen Kräften haushalten. Aber gegen Ende eines Rennens, wenn es in die Primetime geht und meine Beine noch Bums haben, kann ich die Angst vor einem möglichen Kategorie Upgrade nicht nachvollziehen. Dann wird alles gegeben, und ich kämpfe um jeden Platz. Nur das fühlt sich für mich auch richtig an.

Man stelle sich mal vor, der HSV wird Meister der 2. Liga (ja ich weiß, das fällt vielen Fußballfans schwer) und verzichtet dann auf den Aufstieg mit der Begründung, dass man ja dann in der nächsten Bundesligasaison wahrscheinlich gegen den Abstieg spielen würde, während man bei einer weiteren Saison in Liga 2 einen oberen Tabellenplatz anstreben könnte. Das ist Quatsch? Sehe ich auch so.

Allen Fahrern, bei denen die Angst vor einem Upgrade größer ist, sei gesagt, dass mit der Einführung des neuen CE auch sehr gute Fahrer aus der oberen Kategorie weiter aufsteigen und sicherlich auch andere Fahrer aus der jetzigen Kategorie das harte Schicksal des Upgrades teilen werden. Man sieht sich also wieder. Und sind wir mal ehrlich, ein Platz in der unteren Hälfte der Tabelle ist immer noch mehr wert, als jeder Platz in der Kategorie darunter. Das werden mir auch alle HSV-Anhänger bestätigen.

Eine alte Trainerweisheit sagt, man muss auch mit den großen Jungs und Mädels spielen, um besser zu werden. Da ist der ständige Blick auf irgendwelche Leistungsdaten im Rennen nur hinderlich.

Ride On!

Euer Edelhelfer

 

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter. Es ist klar, dass in allen Kategorien unabhängig vom Geschlecht bemerkenswerte Leistungen gezeigt werden.

**Fahrer, der an einem Rennen teilnimmt, das unter seinem Niveau liegt, um eine gute Platzierung zu erreichen

 

 

 

 

Roman Kuhn

Über den Autor Roman Kuhn

Roman Kuhn ist der Edelhelfer der ZRG und betreibt den gleichnamigen YouTube Kanal, wo er mit seinen Videos Hilfe im Umgang mit Traingssoftware anbietet. Nebenbei verfasst er beim ZRG CC Artikel und informiert über Neuigkeiten im Bereich Online Radsport.

https://www.youtube.com/c/EdelhelferZRG