Wer in unserem ZRG-R Rennteam in der WTRL unterwegs ist, fährt in Mannschaften mit anderen Fahrerinnen und Fahrern zusammen, die ähnlich ticken und die mindestens genauso verrückt sind, wie man selbst. Können wir ruhig mal zugeben, dass man schon ein wenig krass veranlagt sein muss, um sich genussvoll immer und immer wieder auf dem Smarttrainer zu quälen. Man trifft sich auf Zwift, tauscht sich aus auf WhatsApp, applaudiert sich gegenseitig auf Strava und fühlt sich so Menschen nahe, die man in natura noch nie gesehen hat.

Das sollte sich nun ändern. Ich durfte bei einem Treffen in Kassel dabei sein, zu dem sich 15 Fahrer zusammengetan haben, um sich endlich mal wirklich zu begegnen. Und zwar bei einem gemeinsamen Radsportwochenende, nicht nur in Watopia. Im Vorfeld in der WhatsApp-Gruppe waren alle so aufgeregt wie ein Bündel Sechstklässler vor ihrer ersten Klassenfahrt. Mir erging es genauso. Wir trafen uns also am Samstag auf einem Parkplatz in Kassel, bereits in Fahrradmontur, um eine gemeinsame Ausfahrt zu unternehmen. Abendessen, Übernachtung im Hotel und eine weitere Tour am Sonntag bildeten die weiteren Eckpunkte dieses ersten ZRG-R Reallife-Treffens. Was sich dann an diesem Wochenende abspielte, hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Ganz besonders in der emotionalen Wucht dieser zwei Tage.

Auf dem Parkplatz angekommen konnte man sofort und unmittelbar den positiven Spirit verspüren, den alle Beteiligten zu diesem Event mitgebracht haben. Sichtbare Freude, sich endlich mal zu begegnen, herzliche Umarmungen zur Begrüßung.Von Eis, das erstmal gebrochen werden müsste oder verhaltenem Abwarten keine Spur! Und schon ging es los. Das Streckenprofil der ersten Tour rund um Kassel war anspruchsvoll, 110km Länge bei 1800 Höhenmetern! Ich selbst wohne im Emsland, und bei uns sind Höhenmeter eher etwas Theoretisches, mit dem man wenig Erfahrung hat. Rund um Kassel geht es nie geradeaus, sondern immer nur hoch und runter.

Ich bin durch das Zwifttraining persönlich in der sportlichen Verfassung meines Lebens. Mit den anderen Fahrern mitzuhalten, fiel mir sehr schwer und gelang mir auch nur mit Abstrichen. Wahnsinn, was wir da für überragende Athleten in unseren Teams haben, was für durchtrainierte und erprobte Sportler! Wirklich! Hinter den Leistungen, die ich in der WattFabrik moderieren darf, stecken Hochleistungssportler! Das war beeindruckend! Und freundliche, zugewandte und großartige Menschen sind das noch dazu!

Dieses Gemeinschaftsgefühl zeigte sich an diesem Wochenende von Beginn an und sollte uns helfen, auch eine schwere Prüfung zu bestehen. Zu den Geschichten dieses Treffens in Kassel gehört auch, dass sich auf der Abfahrt vom Hohen Meisner ein schwerer Verkehrsunfall ereignet hat, bei dem zwei unserer Fahrer sehr schwer gestürzt sind. In Folge dieses Unfalls haben sich dann weitere Qualitäten gezeigt. Alle, wirklich alle Fahrer, die sich da getroffen haben, reagierten auf diesen Unfall in perfekter Weise. Das betraf die erste Hilfe Maßnahmen bei den Gestürzten, das Absichern der Unfallstelle, das Organisieren von Rettungseinsatz und Polizeieinsatz: Alles lief an dieser Stelle auf einem unglaublich reifen und verantwortungsvollen Niveau! Ich kann das sagen, denn ich war mittendrin im Geschehen. Ich stand als Unfallzeuge und Ersthelfer bei einem der gestürzten Fahrer nach meiner Ablösung durch eine Sanitäterin so unter Schock, dass man sich entschied, auch mich mit dem Rettungswagen nach Kassel zurückzubringen.

Am Abend, nach den Entwarnung gebenden Anrufen von Seiten der beiden verunglückten Fahrer, entlud sich die sorgenvolle Anspannung zu unbeschreiblicher Erleichterung. Beide Fahrer haben Verletzungen davongetragen, die zwar schmerzhaft sind, aber hoffentlich folgenfrei verheilen werden. Ich habe den Sturz gesehen! Beide hatten trotz alledem unfassbares Glück!

Der Abend im Restaurant und die zweite Ausfahrt am Sonntag waren dann so freundschaftlich und so voller Nähe, dass ich das kaum beschreiben kann. Ich kann nur sagen, diese Sportler sind für mich ganz besondere Menschen. Und ich werde nachhaltig tief beeindruckt davon sein, in was für eine großartige Gemeinschaft ich da aufgenommen wurde. Ich denke, wir alle werden das Wochenende nie vergessen, das ist unmöglich. Wir gehen aber alle gestärkt als Team daraus hervor.

Wir sind uns einig, solche Treffen müssen wir wiederholen! Und das waren ja nur 15 von 100 ZRG-R Fahrerinnen und Fahrern! Lasst uns alle diesen Spirit in unsere Teams tragen und alle mitreißen! Die Erkenntnis, dass virtueller Sport tragfähige Freundschaften hervorbringen kann, ist schon etwas sehr Schönes.

Vor diesem Hintergrund blicke ich nun voller Vorfreude auf die neue Saison in der WTRL und darauf, über die Rennen in der WattFabrik berichten zu können! Jede und jeder, die oder der bei ZRG-R mitfährt, sei er schon ein alter Hase, oder ein Neuling, jede und jeder wird in den Genuss dieses außergewöhnlichen Zusammenhalts kommen.

 

 

Carsten Wiepking

Über den Autor Carsten Wiepking

Seit 2010 als Radsportler aktiv, seit 2012 beim RSC Papenburg. Rennerfahrungen wurden seither jährlich bei den Cyclassics in Hamburg gesammelt oder bei Rund um Köln. Größter persönlicher Erfolg ist ein privater Radmarathon, bei dem 2014 an einem Tag in einer Solotour 386km gefahren wurden, um einen Familienrekord des Vaters zu brechen (der allerdings nicht mehr Bestand hat, da muss er noch mal ran und 410km fahren). Seit Sommer 2020 auf Zwift aktiv und von da an sofort Feuer und Flamme für das Online Racing. Platz 2 bei der Falling Leaves Tour im Herbst 2020 und Platz 1 bei der ZRG-CC Series 2021, jeweils in Kategorie C. Seit Februar 2021 Mitglied der ZRG-R Renngemeinschaft und dort in der WTRL Saison #3 aktiv. Durch eine Verletzung zum Zuschauen gezwungen hat er gemeinsam mit Roman „Edelhelfer“ dann im März 2021 die Wattfabrik auf YouTube gegründet und dort seine zweite Leidenschaft im e-Cycling Betrieb gefunden: als Moderator und Motivator Rennen der ZRG Teams kommentieren!